Polizeianwärter & Tattoos: Neues vom OVG Berlin-Brandenburg

Polizeianwärter mit Tattoo: Derzeit wohl eine der umstrittensten Fragen rund um das Thema Tätowierungen. Viele Gerichte mussten sich allein im letzten Jahr damit befassen, wie regelmäßige Leser dieses Blogs sicher verfolgt haben. Eine Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts (OVG) Berlin-Brandenburg vom 28. August 2018 (Az. OVG 4 S 36.18, Link zum Volltext) bietet eine sehr interessante Kernaussage: Tattoos sind kein absolutes Hindernis für den Polizeidienst.

Vorgeschichte: Bundesverwaltungsgericht und Verwaltungsgericht Berlin

Zuvor hatte bereits das Verwaltungsgericht (VG) Berlin ebenfalls pro Tattoos geurteilt. Dem Polizeianwärter, der wegen seiner Tätowierung abgelehnt wurde, musste eine neue Chance gegeben werden, urteilten die Verwaltungsrichter. Allein auf das Tattoo dürfe die Ablehnung nicht gestützt werden.

Das VG Berlin war damit einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) aus dem Jahr 2017 gefolgt. Darin hatte das oberste Verwaltungsgericht geurteilt, dass ein Tattoo allein keinen Zweifel an der Eignung eines Polizeianwärters begründen könne. Eine Ausnahme könnte nur dann gemacht werden, wenn das Tattoo nicht wertneutral sei, sodass Zweifel an der Neutralität des Polizisten entstehen könnten.

Im vergangenen Jahr folgten daher fast alle Gerichte bei Entscheidungen zu tätowierten Polizeianwärtern diesem Urteil und gaben den Anwärtern eine zweite Chance. Nur zwei Urteile scherten aus: Ein Urteil, in dem ein Bewerber, der auch sonst durch Hitlergrüße auffiel, auch wegen seiner Tattoos abgelehnt wurde. Und ein Urteil aus Bayern hielt die Entscheidung der Behörde für richtig, weil das geplante Tattoo, der Schriftzug „Aloha“, nicht hinreichend neutral gewesen sei.

In der Gesellschaft angekommen

Das OVG Berlin-Brandenburg sah dagegen im streitigen Tattoo keine generelle Ungeeignetheit des Polizeianwärters: Hier ging es um großflächige Tattoos des mexikanischen „La Catrina“-Motivs, eines Schädels, der auf ein Frauengesicht aufgemalt ist und noch Züge davon trägt.  Das La Catrina-Motiv werde in der Bevölkerung nicht als bedrohlich oder abschreckend wahrgenommen, so das Gericht. Dem Bewerber müsse daher eine zweite Chance gegeben werden.

Nein, dies ist NICHT das La Catrina-Motiv.
Nein, dies ist NICHT das La Catrina-Motiv. 😉

Tattoos seien „in der Mitte der Bevölkerung“ angekommen, bestätigte das Gericht. Viele junge Menschen hätten Tattoos. Und das eben auch an Stellen, die zumindest bei Uniform mit kurzen Ärmeln sichtbar sei. Dies allein als Ausschlusskriterium für Polizeianwärter zu benutzen, sei falsch.

Bedarf für neue Gesetze?

Allerdings könnte der Gesetzgeber weiterhin tätig werden und festlegen, dass Tattoos generell im Polizeidienst nichts verloren hätten, so das OVG Berlin-Brandenburg weiter. Diese Möglichkeit hatte auch schon das BVerwG offengelassen.

Allerdings machen die Gesetzgeber trotz der zunehmenden Menge an Rechtsprechung zu diesem Thema bisher erfreulicherweise keine Anstalten, eine gesetzliche Regelung zu treffen. Es bleibt daher anzunehmen, dass es bei der Linie der Gerichte bleibt und die meisten Tattoos weiterhin erlaubt sein werden.

Unser Fazit:

Der Gesetzgeber hatte es sich in der Vergangenheit zu einfach gemacht und Tattoo-Verbote im öffentlichen Dienst meist nur durch Erlasse geregelt. Das OVG erinnert daran, dass so wesentliche und stark eingreifende Maßnahmen durch ordentliche Gesetze geregelt werden müssen. Oder eben nicht.

Good news everyone!

Wie das Gericht richtig erkennt, sind Tattoos in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Zwar soll weiterhin die Möglichkeit bestehen, bei stark polarisierenden bzw. das Vertrauen der Bevölkerung in den Tätowierten gefährdenden oder gar gegen bestehende Gesetze verstoßenden Tattoos Polizeianwärter abzulehnen. Ein generelles Verbot von Tattoos im öffentlichen Dienst ist aber jedenfalls bis auf Weiteres unzulässig. Gute Nachrichten für tätowierte Polizeianwärterinnen und Polizeianwärter!

(Autorin: Corinna Bernauer mit Lars Rieck)

Und hier geht´s zum Volltext des Urteils!