Klage wegen Tiger King-Tattoo gegen Netflix abgewiesen

Klage wegen Tiger King-Tattoo gegen Netflix abgewiesen

Tattoo of a Tiger with a crown.

Eine amerikanische Tätowiererin verklagte Netflix, weil in der Serie „Tiger King“ ein von ihr geschaffenes Tattoo des Hauptdarstellers „Joe Exotic“ gezeigt wurde. Der Artikel erklärt, wann eine solche Verwertung urheberrechtlich geschützter Werke erlaubt sein kann.

Der Fall Cramer gegen Netflix, Inc.

Im März 2020, zu Beginn der COVID-19-Pandemie, veranstaltete der Ehemann von Molly Cramer, Noah Cramer, einen Online-Wettbewerb zum Verkauf von Geschenkgutscheinen, um das Tattoo-Studio des Paares zu unterstützen, das aufgrund der Pandemie geschlossen wurde.

Online-Wettbewerb und das Joe Exotic-Tattoo

Die Käufer der Geschenkgutscheine konnten über Mollys lustige Tattoo-Wannados abstimmen. Die Siegervorlage sollte auf den Oberschenkel ihres Mannes tätowiert werden. Eines der Bilder war das Gesicht von „Joe Exotic“, zusammen mit einer Spraydose der Marke „Lysol“, einer Abbildung von fünf COVID-19-Viren und einem Toiletenpapier-Banner mit der Aufschrift „Quarantine 2020“. „Joe Exotic“ ist der Spitzname eines ehemaligen Tierparkbesitzers und verurteilten Straftäters, der im Mittelpunkt der Reality-Serie „Tiger King“ von Netflix stand.

Die Motivation hinter dem Tiger King-Wannado

Molly sagte, sie habe das Tiger King-Wannado entworfen, weil sie glaubte, dass aufgrund der Popularität, des Bekanntheitsgrads und der weltweiten Bekanntheit von „Tiger King“ ein so lustiges Bild von „Joe Exotic“, das sie ihrem Mann tätowieren wollte, eine sehr große Resonanz in der Öffentlichkeit für den Online-Verkauf von Geschenkgutscheinen erhalten würde. Der Verkauf der Geschenkgutscheine brachte fast 4.000 Dollar ein, was es dem Paar ermöglichte, ihr Tattoo-Studio später wieder zu eröffnen.

Das Tattoo in der Serie „Tiger King“ auf Netflix

Das „Joe Exotic“-Tattoo erhielt die meisten Stimmen. Deshalb tätowierte Molly das Bild auf den Oberschenkel ihres Mannes und postete ein Foto davon auf Facebook. Ein Bild des Tattoos erschien in der ersten Folge von Staffel 2 von „Tiger King“ als Teil einer Montage, etwa 2,2 Sekunden lang. Kurz nach der Ausstrahlung der Folge erhielt Molly Anrufe und SMS von Familie und Freunden, die ihr mitteilten, dass sie ihr Tattoo gesehen hatten. Nachdem sie die Erlaubnis von „Joe Exotic“ eingeholt hatte, sein Bild zu verwenden, meldete sie das Urheberrecht für ihr Werk beim U.S. Copyright Office an. Wenig später schickte ihr Anwalt eine Abmahnung an Netflix. Der Anwalt forderte die Entfernung des Tattoo-Bildes aus der Folge und 10 Millionen Dollar Schadensersatz für die Verletzung des Urheberrechts seiner Mandantin. Netflix weigerte sich zu zahlen und machte geltend, dass die Verwendung des Bildes im Rahmen der US-Urheberrechtsdoktrin des „fair use“ zulässig sei. Später senkte Molly ihre Schadensersatzforderung auf nur noch 50.000 US-Dollar.

Gerichtsentscheidung zur „Fair Use“-Verteidigung

Das angerufenen Gericht stellte fest, dass das US-Urheberrecht einem Urheberrechtsinhaber das ausschließliche Recht verleihe, ein urheberrechtlich geschütztes Werk zu vervielfältigen und Kopien des Werks zu verbreiten. Um eine Verletzung festzustellen, müssen zwei Elemente nachgewiesen werden: Die Inhaberschaft an einem gültigen Urheberrecht und das Kopieren von Bestandteilen des Werks, die das Original darstellen.

„Fair Use“ als Verteidigung

Die Behauptung einer Urheberrechtsverletzung unterliegt bestimmten gesetzlichen Ausnahmen, den sogenannten Schranken. Eine im europäischen Urheberrecht unbekannte Schranke des US-Urheberrechts ist die „Fair Use“-Ausnahme. Sie besagt, dass die faire Nutzung eines urheberrechtlich geschützten Werks keine Verletzung des Urheberrechts darstellt, wenn sie für Zwecke wie Kritik, Kommentare, Nachrichtenberichterstattung, Lehre, Wissenschaft oder Forschung erfolge.

Die Faktoren der „Fair Use“-Verteidigung

Der „Fair Use“-Einwand ist im US-Urheberrecht eine legale Verteidigung gegen eine Klage wegen Urheberrechtsverletzung. Dabei werden die folgenden Faktoren berücksichtigt:

  1. Zweck und Charakter der Nutzung, einschließlich der Frage, ob die Nutzung kommerzieller Natur ist oder nicht gewinnorientierten Bildungszwecken dient.

  2. Die Art des urheberrechtlich geschützten Werks.

  3. Der Umfang und die Wesentlichkeit des verwendeten Teils im Verhältnis zum urheberrechtlich geschützten Werk als Ganzes.

  4. Die Auswirkungen der Nutzung auf den potenziellen Markt für das urheberrechtlich geschützte Werk oder dessen Wert.

Gerichtliche Analyse der „Fair Use“-Faktoren

In Bezug auf den 1. Faktor stellte das Gericht fest, dass Netflix das Tattoo-Bild im Rahmen einer visuellen und auditiven Zusammenstellung verwendet hat, um die bizarren Reaktionen der Öffentlichkeit auf die Serie „Tiger King“ und die Person „Joe Exotic“ während der frühen Tage der Pandemie darzustellen. Daher fiele dies unter „Kritik“, „Kommentar“ oder „Berichterstattung“, die als „faire Nutzung“ definiert sind.

Der 1. Faktor verlangt von den Gerichten zu prüfen, inwieweit das sekundäre Werk „umgestaltend“ ist und ob die Nutzung kommerziell ist.

1. Zweck der Nutzung des Tattoos

Netflix behauptete, dass seine Verwendung des Tattoo-Bildes einen völlig neuen und anderen biografischen Zweck sowie eine andere Bedeutung und Botschaft habe, nämlich zu zeigen, dass „Joe Exotic“ eine große Zahl fanatischer Zuschauer angezogen habe, und dass die Verwendung des Bildes im Kontext der 8-fachen Split-Screen-Montage und mit Voice-Over und visuellen Effekten eine Vielzahl verschiedener Bilder und Clips von Filmmaterial integriert habe, während audio- und visuelle Effekte hinzugefügt wurden, um ein völlig neues Werk zu schaffen.

Die Cramers machten geltend, dass dies kein „neuer“ Zweck sei, da Molly das Tattoowerk auch wegen des Bekanntheitsgrads, der weltweiten Anerkennung, des Ruhms und der Anzahl der fanatischen Zuschauer von „Tiger King“ und „Joe Exotic“ geschaffen habe.

Zu den legalen Zwecken der Nutzung gemäß „Fair Use“ gehören Kritik, Kommentare, Nachrichtenberichterstattung, Unterricht, Wissenschaft oder Forschung.

Das Gericht stimmte Netflix zu, dass die multimediale Nutzung des Bildes der Tätowierung eine „Kritik“, ein „Kommentar“ oder eine „Berichterstattung“ war und daher „keine Verletzung des Urheberrechts“ darstellte.

„Der Zweck und der Charakter der Verwendung des Tattoos durch die Beklagten ist Teil einer visuellen und auditiven Zusammenstellung, die die überwältigende Faszination der Öffentlichkeit für und die Reaktion auf Joe Exotic in den frühen Tagen der Pandemie darstellt, und fällt daher unter die „Kritik“, den „Kommentar“ oder die „Berichterstattung“, die ausdrücklich als „faire Nutzung“ gemäß dem US-Urheberrechtsgesetz, 17 U.S.C. § 107, definiert ist.“

Das Gericht stellte fest, dass Netflix nicht als Wettbewerber in der Tattoo-Branche tätig sei. Die Nutzung verdränge daher weder den Zweck der Tätowierung noch diene sie als Ersatz dafür.

2. Art des geschützten Werks

Das Gericht befand, dass der zweite Faktor der fairen Nutzung zugunsten von Molly gewichtet wurde, da das Tattoo kreativ gestaltet sei.

„Das Gericht misst diesem Faktor jedoch nur begrenztes Gewicht bei, da die Verwendung des Bildes der Tätowierung durch die Beklagten eine Umgestaltung im Sinne des ersten Faktors darstellt.

3. Umfang und Wesentlichkeit der Nutzung

Was den 3. Faktor des Umfang und der Wesentlichkeit betrifft, so erkannte das Gericht an, dass die Tätowierung in zwar ihrer Gesamtheit gezeigt worden sei. Die Verwendung des Tattoos durch die Beklagten in der Episode schaffe aber nicht die Wahrscheinlichkeit einer Marktschädigung für das Tattoo oder gefährde dessen Verwertung, z. B. die Fähigkeit der Klägerin, Geschenkkarten zu verkaufen oder Einnahmen für ihr Tattoo-Studio zu erzielen. Dementsprechend stellt das Gericht fest, dass der 3. Faktor für „Fair Use“ spreche.

4. Auswirkungen der Nutzung auf die Verwertbarkeit des Tattoos

Schließlich stellte das Gericht fest, dass der 4. Faktor ebenfalls für eine erlaubte Nutzung im Rahmen des „Fair Use“ spreche, da die 3-sekündige Bildmontage, die unter anderem das Bild des „Joe Exotic“-Tattoos lediglich in verkleinerter Form in einer Ecke des Bildschirms zeige, eindeutig kein Ersatz für das ursprüngliche Original des Tattoos sei, dessen Verwertung also auch nicht beeinträchtige.

Unser Fazit

Jedenfalls im US-Recht kann es legal sein, ohne Einwilligung des Tattoo Attests als Urheber seine urheberrechtlich geschützten Tattoos in den Medien darzustellen. Im europäischen Urheberrecht gibt es die „Fair Use“-Schranke jedoch nicht. Das Urheberrecht ist hier restriktiver gestaltet. Dennoch könnte die Wiedergabe von Tattoos in den Medien im Rahmen der aktuellen Berichterstattung über tagespolitische Ereignisse zulässig sein. Die Verwendung in einer kommerziell erfolgreichen Doku-Serie eines Bezahlsenders dürfte eher nicht darunter fallen.

Fundstelle Urteil

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