Das Bundessozialgericht (BSG) hat in einem Urteil vom 27. Juni 2024 (Az. B 3 KS 1/23 R) entschieden, dass bestimmte Tätowierer Anspruch auf die Aufnahme in die Künstlersozialversicherung (KSV) haben. Dieses Urteil bringt eine entscheidende Erweiterung der bisherigen Rechtsprechung mit sich. Im Folgenden erklären wir, welche Voraussetzungen Tätowierer erfüllen müssen, um als Künstler anerkannt zu werden und welche Ausnahmen das BSG dafür geschaffen hat.
Was ist die Künstlersozialversicherung?
Die Künstlersozialversicherung (KSV) versichert selbstständige Künstler und Publizisten in der Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung. Tätowierer waren in der Vergangenheit nur unter bestimmten Umständen als bildende Künstler nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz (KSVG) anerkannt. Die Frage, ob ein Tätowierer als Künstler gilt, entscheidet über die Aufnahme in die KSV und somit über den Zugang zu den sozialen Absicherungen.
Die bisherigen Ausnahmen: Anerkennung als Künstler für Tätowierer
Bisher hatte das BSG in einem Urteil von 2007 (Az. B 3 KS 2/07 R) klargestellt, dass Tätowierer in der Regel keine Künstler im Sinne des KSVG sind. Das Tätowieren wurde als handwerkliche Tätigkeit eingestuft, da der Schwerpunkt auf manuellen Fähigkeiten und weniger auf künstlerischer Kreativität liege. Allerdings gab es bereits damals zwei Ausnahmen:
- Tattoo-Designer: Tätowierer, die sich auf das Entwerfen von individuellen Motiven und Vorlagen für Tattoo-Studios spezialisieren, können als Künstler anerkannt werden. Die Anerkennung erfolgt jedoch nur dann, wenn sie in Fachkreisen der bildenden Kunst als Künstler gelten.
- Künstlerische Anerkennung: Tätowierer, die in der Kunstszene über ihren direkten Kundenkreis hinaus Anerkennung finden, konnten ebenfalls als Künstler anerkannt werden. Diese Anerkennung musste jedoch in etablierten Kunstkreisen erfolgen, nicht nur innerhalb der Tätowier-Szene.
Die neue dritte Ausnahme: Gesamtkunstwerk aus Entwurf und Umsetzung
Mit dem aktuellen Urteil vom 27. Juni 2024 hat das BSG eine weitere Ausnahme geschaffen, die einen neuen Weg für Tätowierer in die Künstlersozialversicherung eröffnet. Demnach gilt ein Tätowierer dann als Künstler, wenn der Entwurf des Tattoos und dessen Umsetzung auf der Haut als untrennbares Gesamtkunstwerk betrachtet werden können.
Voraussetzungen der neuen Ausnahme:
- Künstlerische Ausbildung oder Anerkennung: Der Tätowierer muss entweder eine künstlerische Ausbildung haben oder in anderen künstlerischen Disziplinen anerkannt sein, etwa als Illustrator oder Zeichner.
- Verschmelzung von Kunst und Handwerk: Der Tätowierer muss zeigen, dass sich der kreative Entwurf und die handwerkliche Umsetzung des Tattoos nicht voneinander trennen lassen. Das Tattoo muss ein Unikat sein, das nur einmalig erstellt wird und nicht reproduzierbar ist.
- Eigenschöpferische Freiheit: Die Umsetzung des Tattoos darf nicht nur eine rein handwerkliche Arbeit sein, sondern muss einen kreativen Gestaltungsprozess beinhalten, der dem Tätowierer einen künstlerischen Freiraum gibt.
Was bedeutet das für Tätowierer?
Um als Tätowierer Zugang zur Künstlersozialversicherung zu erhalten, musst du nach diesem Urteil bestimmte Kriterien erfüllen. Sie sollten nachweisen können, dass Sie entweder eine künstlerische Ausbildung haben oder in der Kunstszene anerkannt sind. Zudem ist entscheidend, dass Ihre Tattoos individuelle Kunstwerke darstellen, bei denen sich Entwurf und Umsetzung nicht trennen lassen.
Unser Fazit
Das Urteil des BSG erweitert den Kreis der Tätowierer, die Anspruch auf die Aufnahme in die Künstlersozialversicherung haben. Tätowierer, die ihre Entwürfe als untrennbare Kunstwerke umsetzen und eine künstlerische Ausbildung oder Anerkennung haben, können künftig als Künstler im Sinne des KSVG gelten. Diese Entscheidung bietet vielen kreativen Tattoo Artists eine neue Möglichkeit, wie andere bildende Künstler in der KSV sozial abgesichert zu werden.
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Den Volltext des Urteils des BSG vom 27.06.2024 findest du hier.
Unseren Terminsbericht von der Verhandlung des BSG am 27.06.2024 in Kassel findest du hier.