Bundesverband Tattoo e.V. nimmt Stellung zur Berichterstattung über die „Schweden-Studie“

Someone getting tattooed.

Bundesverband Tattoo e.V. nimmt Stellung zur Berichterstattung über die „Schweden-Studie“

In den letzten Tagen sind diverse Schlagzeilen aufgetaucht, die behaupten, dass Tattoos das Krebsrisiko erhöhen könnten. Beispielsweise titelte die Bild-Zeitung: „Studie: Tätowierungen erhöhen Krebsrisiko um ein Fünftel“, während NTV schrieb: „Studie untersucht Zusammenhang: Tattoos könnten Krebsrisiko deutlich erhöhen“. Diese Berichte haben zu erheblicher Verunsicherung unter Tattoointeressierten und Tätowierenden geführt.

Stellungnahme des Bundesverbandes Tattoo e.V.

Der Bundesverband Tattoo e. V. (BVT) hat nun diese Nachrichtenmeldungen aufgegriffen und die aktuellen Forschungsergebnisse sachlich eingeordnet. Die Grundlage bildet eine am 21. Mai in der renommierten Fachzeitschrift „Lancet“ veröffentlichte Studie „Tattoos as a risk factor for malignant lymphoma: a population-based case–control study“ einer schwedischen Forschergruppe.

Inhalt der Studie

Die Studie untersuchte das Risiko für maligne Lymphome, also verschiedene bösartige Veränderungen des Lymphsystems, bei tätowierten Personen. Es sollte festgestellt werden, ob eine mögliche Kausalbeziehung besteht. Das Hauptresultat zeigt, dass bis zu zwei Jahre nach einer ersten Tätowierung ein 21% erhöhtes Lymphomrisiko in der Gruppe der 20-60-Jährigen bestehen könnte. Besonders betroffen waren diffuse großzellige B-Zell-Lymphome und follikuläre Lymphome.

Korrelation versus Kausalität

Es ist wichtig zu betonen, dass die Studie lediglich eine Korrelation zwischen Tattoos und einem erhöhten Befund für maligne Lymphome festgestellt hat, nicht aber eine Kausalität. Kausalität bedeutet eine Ursache-Wirkung-Beziehung, während Korrelation bedeutet, dass zwei Phänomene gleichzeitig auftreten, ohne dass das eine das andere verursacht.

Ein anschauliches Beispiel: Wenn festgestellt würde, dass in den Sommermonaten bei Eiscreme-Essenden die Wahrscheinlichkeit für Badeunfälle um 21% erhöht ist, würde niemand behaupten, dass Eis essen Badeunfälle verursacht. Beide Ereignisse sind durch die Jahreszeit beeinflusst und stehen in keinem kausalen Zusammenhang.

Die Forschenden der Schweden-Studie selbst betonen, dass weitere Untersuchungen nötig sind, um mögliche kausale Zusammenhänge zu erforschen. Dr. Milena Foerster von der IARC (International Agency for Research on Cancer) warnt vor voreiligen Schlussfolgerungen und betont die Notwendigkeit weiterer Forschung.

Unsicherheiten in der Schweden-Studie

Kurzfristige Exposition

Das erhöhte Risiko wurde nur für den Zeitraum innerhalb der ersten zwei Jahre nach dem ersten Tattoo festgestellt, nicht jedoch bei mehreren oder größeren Tattoos. Dies widerspricht der Erwartung, dass sich das Risiko mit jedem neuen Tattoo summiert.

Unzureichende Angaben

Aussagen zur Farbe oder Fläche der Tattoos sind nicht valide, da diese im Fragebogen nicht ausreichend spezifiziert wurden. Eine genauere Analyse wäre möglich gewesen, wenn nur Personen mit einem Tattoo betrachtet worden wären.

Zeitliche Diskrepanz

Das Lymphomrisiko soll laut der Studie direkt nach dem Tätowieren am höchsten sein. Wäre dies zutreffend, hätte in den letzten ca. 15 Jahren ein starker Anstieg der jährlichen Lymphomneuerkrankungen in Schweden erfolgen müssen, was jedoch nicht der Fall ist.

Selektionsverzerrung (Selection Bias)

Die Antwortrate war bei den Lymphomfällen höher als bei den Kontrollen, ebenso die Tattooprävalenz. Dies könnte darauf hinweisen, dass selektiv mehr tätowierte Lymphompatienten geantwortet haben.

Tattooentfernung

Innerhalb der Tätowierten ist insbesondere der Effekt von Tattooentfernungen sehr stark. Diese wurden jedoch nicht in die Hauptanalyse eingeschlossen.

Unzureichende Kontrolle von Störfaktoren (Confounder)

Die Analyse ist unzureichend adjustiert, was bedeutet, dass nicht alle potentiell einflussreichen Faktoren berücksichtigt wurden. Es fehlen zumindest HIV/Hepatitis und andere Infektionskrankheiten sowie der BMI.

BVT-Position

Der BVT setzt sich nach eigenen Angaben für die Sicherheit beim Tätowieren ein. Es liege im ureigensten Interesse der Tätowierenden, diesen Vorgang in allen Aspekten sicher zu gestalten, so die Stellungnahme des BVT. Forschungsarbeit wie diese Studie sei notwendig, um Erkenntnisse zu gewinnen. Die Tattoo-Forschung werde immer wichtiger und könne nur von einem offenen und besonnenen Umgang profitieren, so der BVT weiter.

Es sei entscheidend, die Ergebnisse solcher Studien klar und verständlich zu kommunizieren, um Missverständnisse zu vermeiden. Der BVT sehe sich dabei in der Rolle eines Vermittlers zwischen Wissenschaft und Tätowierenden.

Schlussfolgerung

Ein aufgeklärter und besonnener Umgang mit dem Thema Tattoos ist der bessere Weg. Die vollständige Studie kann hier abgerufen werden. Die Stellungnahme des BVT findest du hier.

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