Tattoos und Polizeidienst – Verwaltungsgericht Berlin stärkt Bewerberrechte

Tätowierte Polizistin.

Gericht kippt Ablehnung wegen Handrücken-Tätowierungen

Am 27. Februar 2024 entschied das Verwaltungsgericht (VG) Berlin (Az. VG 36 L 405/23), dass eine Bewerberin für den gehobenen Dienst der Berliner Kriminalpolizei nicht allein wegen sichtbarer Tätowierungen auf den Handrücken vom Auswahlverfahren ausgeschlossen werden darf. Der Bescheid der Polizei Berlin wurde in einem Eilverfahren als rechtswidrig eingestuft.

Der Fall: Rosen, Namenszüge, Zahl „248“

Die Bewerberin trug auf beiden Handrücken Rosenblüten, teils mit Blättern und Namenszügen („K…“ und „Q…“), sowie ein Armband und die Zahl „248“ am Handgelenk. Auf den Fingern befanden sich kleine Punkte und ein Kreuz auf dem Ringfinger. Die Polizei Berlin lehnte ihre Bewerbung mit der Begründung ab, die Handrücken-Tätowierungen seien mit der Stellung einer Polizeibeamtin unvereinbar.

Gerichtliche Bewertung: Keine „über das übliche Maß hinausgehende Individualisierung“

Das Verwaltungsgericht sah das anders: Sichtbare Tätowierungen seien zwar nicht grundsätzlich unproblematisch, könnten aber nicht pauschal ein Ausschlussgrund sein. Entscheidend sei, ob eine Tätowierung „durch ihre über das übliche Maß hinausgehende besonders individualisierende Art geeignet ist, die amtliche Funktion in den Hintergrund zu drängen“ (§ 34 Abs. 2 Satz 3 BeamtStG).

Im Fall der Antragstellerin verneinte das Gericht diese Voraussetzung. Rosenmotive, Namenszüge von Familienangehörigen und schmuckähnliche Designs seien gesellschaftlich weit verbreitet. Auch sei die bloße Sichtbarkeit kein legitimer Ausschlussgrund mehr – erst recht nicht bei allgemein akzeptierten Motiven.

Gesellschaftlicher Wandel bei Tattoo-Akzeptanz

Die Richter betonten, dass sich gesellschaftliche Anschauungen zum äußeren Erscheinungsbild – gerade zu Tätowierungen – stark verändert haben. Inzwischen seien Tattoos nicht mehr nur Randerscheinung, sondern verbreitetes Ausdrucksmittel, insbesondere bei jungen Menschen. Die Polizei dürfe sich diesem Wandel nicht verschließen. Ein moderner öffentlicher Dienst müsse akzeptieren, dass äußerlich tätowierte Bewerber keine Ausnahme mehr seien.

Verfassungsrechtlicher Schutz: Persönlichkeitsrecht vs. beamtenrechtliche Neutralität

Auch verfassungsrechtlich sei die Tätowierung Teil des durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützten Persönlichkeitsrechts. Zwar darf das äußere Erscheinungsbild im Polizeidienst eingeschränkt werden – aber nur, wenn die Tätowierung objektiv geeignet ist, das Vertrauen in die Neutralität der Polizei zu beeinträchtigen.

Im Fall der Antragstellerin sah das Gericht keine solche Wirkung. Die Tattoos seien weder politisch noch extremistisch, sondern persönlich geprägt – ohne provozierenden Gehalt. Das bloße Tragen reiche nicht aus, um das beamtenrechtliche Neutralitätsgebot zu verletzen.

Entscheidung mit Signalwirkung

Das Verwaltungsgericht verpflichtete die Polizei Berlin, über die Bewerbung der Antragstellerin unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden. Eine Verpflichtung zur sofortigen Einstellung lehnte das Gericht jedoch ab, da die Bewerberin angekündigt hatte, sich eine weitere Tätowierung stechen zu lassen – deren Bewertung zunächst ausstehen müsse.

Bedeutung für Tattoo-Träger im öffentlichen Dienst

Das Urteil stärkt die Rechte von Bewerber:innen mit sichtbaren Tätowierungen. Wichtig ist jedoch: Eine individuelle Prüfung bleibt erforderlich. Sichtbare Tattoos dürfen nicht pauschal zur Ablehnung führen, sondern müssen anhand konkreter Kriterien bewertet werden:

  • Inhalt (provokant, politisch, religiös?)

  • Größe und Platzierung (auffällig oder subtil?)

  • Gesellschaftliche Akzeptanz (üblich oder extrem?)

Fazit: Sichtbare Tattoos sind kein Ausschlusskriterium per se

Die Entscheidung des VG Berlin ist ein wichtiger Schritt hin zu mehr Differenzierung und rechtlicher Klarheit bei der Frage: „Darf ich mit sichtbaren Tattoos zur Polizei?“

Pauschale Ablehnungen sind mit dem Grundgesetz und modernen Wertvorstellungen nicht mehr vereinbar. Wer seine Individualität durch gesellschaftlich akzeptierte Motive wie Blumen, Namen oder dezente Symbole zum Ausdruck bringt, darf nicht allein deshalb vom Polizeidienst ausgeschlossen werden.


Hinweis: Wer sich trotz Tattoo bei Polizei, Feuerwehr oder Zoll bewirbt, sollte dennoch frühzeitig anwaltlich klären lassen, ob eine konkrete Tätowierung als „dienstrechtlich neutral“ gelten dürfte. Bei Ablehnungen besteht regelmäßig Rechtsschutz durch Verwaltungsgerichte – wie dieses Urteil zeigt.

Das VG Berlin hat schon häufiger zu Tattoos im Polizeidienst entschieden.


Verlinkung: Volltext des Urteils – VG Berlin, Beschluss v. 27.02.2024 – 36 L 405/23 (gesetze.berlin.de)

Fragen zu Tattoos im Job?

Schick´ uns gleich eine E-Mail!
Wir helfen!