Am 17. November 2017 entschied das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig, dass ein Beamter mit Tätowierungen verfassungswidrigem Inhalts, der zudem u. a. noch den sog. Hitlergruß zeigte, aus dem Beamtenverhältnis entfernt werden kann.
Der Polizeibeamte stand als Polizeikommissar (Besoldungsgruppe A 9) im Dienst des Landes Berlin. 2007 leitete die zuständige Staatsanwaltschaft mehrere Ermittlungsverfahren ein. Vorwurf: Der Polizist habe an der Erstellung von CDs und Booklets mit volksverhetzenden Liedtexten mitgewirkt, Tätowierungen mit Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen getragen und in der Öffentlichkeit den Hitlergruß gezeigt. Diese Handlungen hätten rechtswidrige Verstöße gegen § 86 StGB oder § 86a StGB sowie § 130 StGB darstellen können. Die Verfahren wurden allerdings eingestellt.
Hitlergruß öffentlich gezeigt?
Dem Polizeibeamten habe nicht nachgewiesen werden können, den Hitlergruß im Inland und seine Tätowierungen öffentlich gezeigt zu haben. Vom Vorwurf der Volksverhetzung (§ 130 StGB) wurde der Polizist freigesprochen, weil nach Auffassung des zuständigen Gerichts nicht mit der erforderlichen Eindeutigkeit habe festgestellt werden können, dass sich das beanstandete Schmählied auf das „Tagebuch der Anne Frank“ bezog.
Strafverfahren eingestellt. Erfolgreiche Disziplinarklage.
Das Land Berlin hatte den Beamten schon 2007 vorläufig des Dienstes enthoben. In einem nach Abschluss der Strafverfahren fortgeführten Disziplinarklageverfahren verhängte das zuständige Verwaltungsgericht gegen den Polizisten eine Geldbuße i.H.v. 300 Euro lediglich wegen ungenehmigter Nebentätigkeiten. Die dagegen gerichtete Berufung des Landes wies das Oberverwaltungsgericht (OVG) Berlin-Brandenburg zurück. Auf die Revision des Landes Berlin entfernte das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) in Leipzig den Polizisten nun endgültig aus dem Beamtenverhältnis.
Begründung des BVerwG:
- Beamte stehen in einem besonderen öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis, aufgrund dessen sie zur Ausübung hoheitsrechtlicher Befugnisse ermächtigt werden können. Sie müssen sich daher zu der Verfassungsordnung, auf die sie vereidigt worden sind, bekennen und für sie eintreten.
- Wer die freiheitlich-demokratische, rechts- und sozialstaatliche Ordnung des Grundgesetzes ablehnt, ist für die Ausübung eines öffentlichen Amtes nicht geeignet. Auf die Strafbarkeit treuepflichtwidriger Verhaltensweisen kommt es dabei nicht an.
- Die Treuepflicht eines Beamten kann auch durch das Tragen von Tätowierungen mit verfassungswidrigem Inhalt verletzt werden.
- Zwar stellt eine Tätowierung zunächst nur eine Körperdekorierung dar; durch diese wird der Körper indes bewusst als Kommunikationsmedium eingesetzt. Mit einer Tätowierung ist eine plakative Kundgabe verbunden, zu der sich der Träger schon angesichts ihrer Dauerhaftigkeit in besonders intensiver Weise bekennt. Identifiziert sich ein Beamter derart mit einer verfassungswidrigen Organisation oder Ideologie, dass er sich entsprechende Symbole eintätowieren lässt, zieht er außenwirksame Folgerungen aus seiner Überzeugung und bringt eine die verfassungsmäßige Ordnung ablehnende Einstellung zum Ausdruck, was im Wege des Disziplinarverfahrens geahndet werden kann.
- Die Beurteilung, ob ein Beamter seine Treuepflicht verletzt hat, setzt eine Gesamtwürdigung seines Verhaltens voraus. Dies gilt bei Tätowierungen angesichts des oft nicht eindeutigen Aussagegehalts bildhafter Gestaltungen in besonderer Weise. Da der Beklagte nicht nur Tätowierungen von Runenzeichen und Emblemen rechtsextremistischer, rassistischer Musikgruppen trägt, sondern wiederholt den Hitlergruß gezeigt, mit einer Hakenkreuzflagge posiert und nationalsozialistische Devotionalien in seiner Wohnung verwahrt hat, ist sein durch die Tätowierungen dokumentiertes Bekenntnis als grundsätzliche und dauerhafte Abkehr von den Prinzipien der Verfassungsordnung zu werten, die zur Entfernung aus dem Beamtenverhältnis führt.
Die offizielle Pressemiteilung zum Urteil des BVerwG vom 17. November 2017 – Az. 2 C 25.17 – findest du hier.
Die Vorinstanzen:
- OVG Berlin-Brandenburg, Az. 80 D 6.13, Urteil vom 04. Mai 2017
- VG Berlin, Az. 80 K 22.12 OL, Urteil vom 09. April 2013
„Nur“ auffällige, großflächige Tattoos mit nicht verbotenen Aussagen dürfe dagegen nicht zur Nichteinstellung eines Polizeibewerbers führen, wie wir hier berichteten.
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