Sozialgericht Hamburg: Erneut gewinnt Tattoo-Künstlerin gegen die KSK!

picture of a female judge showing a tattoo on her leg

Sozialgericht Hamburg: Erneut gewinnt Tattoo-Künstlerin gegen die KSK!

Am 9. Juni 2022 entschied die Kammer 48 des Sozialgerichts Hamburg zugunsten einer Tattoo-Künstlerin und Illustratorin. Das Urteil hob den Bescheid der Beklagten vom 03.07.2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.07.2021 auf und stellte fest, dass die Klägerin ab dem 28.05.2020 gemäß den Vorschriften der Künstlersozialversicherung (KSVG) in der gesetzlichen Krankenversicherung, sozialen Pflegeversicherung und der gesetzlichen Rentenversicherung versichert ist. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin.

Den Volltext des Urteils findest du hier.

Hintergrund des Falls

Beruflicher Werdegang der Klägerin

Die Klägerin, geboren 1987 in Russland, lebt seit 2015 in Deutschland. Sie absolvierte 2010 ein Studium an der Universität Moskau als grafische Designerin und als Fernseh- und Filmdesignerin. Von Mai 2009 bis November 2016 war sie als Illustratorin im Bereich Spieleanimation angestellt und arbeitete auch als Freelancerin. Seit 2017 tätowiert sie in einem Tattoostudio, zunächst in Berlin und seit Juni 2019 im Kodiak Tattoo Studio in Hamburg. Zusätzlich fertigt sie Logo-Designs, Illustrationen und Animationen für die Werbung.

Antrag auf Künstlersozialversicherung

Am 20. Mai 2020 beantragte die Klägerin die Aufnahme in die Künstlersozialversicherung und gab an, im Bereich bildende Kunst selbstständig tätig zu sein und ein Jahresarbeitseinkommen von 25.000 € zu erzielen. Der Antrag wurde jedoch abgelehnt mit der Begründung, dass die Tätigkeit als Tätowiererin nicht als künstlerisch im Sinne des KSVG angesehen werden könne.

Widerspruch und Klage

Argumente der Klägerin

Die Klägerin erhob Widerspruch und verwies auf zahlreiche Preise und Veröffentlichungen im Bereich der visuellen Kunst. Sie argumentierte, dass ihre tätowierten Darstellungen hinsichtlich Farbe, Formgebung und gestalterischem Niveau anerkannter Kunstmalerei entsprächen. Sie betonte, dass ihre Arbeit durch freie schöpferische Gestaltung geprägt sei und sowohl eigene reflektierte Stimmungen als auch spezielle ästhetische Vorlieben widerspiegele.

Entscheidung des Gerichts

Das Sozialgericht Hamburg entschied, dass die Klägerin als Künstlerin im Sinne des KSVG anzusehen ist. Das Gericht stellte fest, dass die Klägerin ihre gestalterische Ausbildung und berufliche Tätigkeit als Illustratorin in ihre Arbeit als Tätowiererin übernommen hat. Sie entwickelt einen individuellen, wiedererkennbaren Stil und eine spezielle Ästhetik, die nur durch sie selbst umgesetzt werden kann.

Rechtliche Begründung

Versicherungspflicht nach dem KSVG

Das Gericht stellte fest, dass die Tätigkeit der Klägerin der bildenden Kunst im Sinne des § 2 Satz 1 KSVG zuzuordnen ist. Selbstständige Künstler und Publizisten sind gemäß § 1 KSVG in der allgemeinen Rentenversicherung, gesetzlichen Krankenversicherung und sozialen Pflegeversicherung versichert, wenn sie ihre künstlerische oder publizistische Tätigkeit erwerbsmäßig und nicht nur vorübergehend ausüben.

Veränderung der allgemeinen Verkehrsauffassung

Die Kammer argumentierte, dass sich die allgemeine Verkehrsauffassung im Hinblick auf Tätowierungen geändert habe. Tätowierungen seien nicht mehr nur Ausdrucksmöglichkeiten für Selbstdarstellung und Abgrenzung, sondern hätten sich zu einer anerkannten Kunstform entwickelt. An Hochschulen ausgebildete Künstler verstehen sich als Künstler und ihre Kunden als Leinwände.

Anerkennung in Künstlerkreisen

Die Anerkennung der Klägerin in Künstlerkreisen wird durch ihre Teilnahme an internationalen Ausstellungen und ihre künstlerische Ausbildung an einer Kunsthochschule belegt. Ihre Werke aus dem Bereich der Tuschezeichnung ähneln den Motiven ihrer Tattoos, was die künstlerische Kontinuität ihrer Arbeit unterstreicht.

Fazit

Das Urteil des Sozialgerichts Hamburg stellt klar, dass die Tätigkeit einer Tattoo-Künstlerin unter bestimmten Voraussetzungen als künstlerische Tätigkeit im Sinne des Künstlersozialversicherungsgesetzes anerkannt werden kann. Diese Entscheidung ist ein bedeutender Schritt zur Anerkennung der kreativen und künstlerischen Aspekte des Tätowierens und bietet Tätowierern die Möglichkeit, sich in der Künstlersozialversicherung zu versichern.

RA Lars Rieck

1 thoughts on “Sozialgericht Hamburg: Erneut gewinnt Tattoo-Künstlerin gegen die KSK!”

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert