Künstlersozialversicherung: Tattoo Artist aus Hamburg gewinnt auch vor dem Landessozialgericht gegen KSK

picture of a female judge showing a tattoo on her leg

Künstlersozialversicherung: Tattoo Artist aus Hamburg gewinnt auch vor dem Landessozialgericht gegen KSK

Einleitung

Am 22. Dezember 2022 entschied das Landessozialgericht (LSG) Hamburg in einem wegweisenden Urteil (Az. L 1 KR 80/22 D) über die Versicherungspflicht einer Tätowiererin und Illustratorin nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz (KSVG). Dieses Urteil hat weitreichende Implikationen für die Anerkennung von Tätowierern als bildende Künstler und deren Versicherungspflicht in der Künstlersozialkasse (KSK).

Hintergrund des Falls

Die Klägerin, eine diplomierte Designerin und in Fachkreisen anerkannte Künstlerin, beantragte im Mai 2020 ihre Versicherung nach dem KSVG. Sie gab an, im Bereich Bildende Kunst und Design, einschließlich Tätowierkunst, selbstständig tätig zu sein. Die Beklagte, die Künstlersozialkasse, lehnte den Antrag ab und argumentierte, dass die Tätigkeit der Klägerin überwiegend handwerklicher Natur sei und daher nicht unter die Versicherungspflicht nach dem KSVG falle.

Landessozialgericht bestätigt Sozialgericht Hamburg

Das LSG Hamburg entschied auf die Berufung der KSK erneut zugunsten der Klägerin und stellte fest, dass sie in ihrer Tätigkeit als Tätowiererin und Illustratorin der Versicherungspflicht nach dem KSVG unterliegt. Das Gericht begründete seine Entscheidung damit, dass sich die allgemeine Verkehrsauffassung in Bezug auf Tätowierungen geändert habe. Tätowierungen würden zunehmend als künstlerische Ausdrucksform anerkannt, insbesondere wenn sie von Künstlern mit einer Hochschulausbildung und einem unverwechselbaren Stil geschaffen werden. Ähnlich hatte zuvor auch schon das Sozialgericht (SG) Hamburg über die Klage der Künstlerin entschieden. Hier findest du den Volltext des erstinstanzlichen Urteils und hier unsere Urteilsbesprechung.

Wichtige Aspekte des Urteils

  1. Änderung der Verkehrsauffassung: Das LSG Hamburg stellte fest, dass Tätowierungen nicht mehr nur als handwerkliche Tätigkeiten angesehen werden, sondern als künstlerische Werke, die eine kreative und schöpferische Leistung darstellen.
  2. Künstlerische Anerkennung: Die Klägerin konnte durch ihre Teilnahme an internationalen Ausstellungen und die Anerkennung in Künstlerkreisen nachweisen, dass ihre Tattoowerke künstlerischen Wert haben.
  3. Vergleich mit anderen Kunstformen: Das Gericht zog Parallelen zu anderen künstlerischen Tätigkeiten, wie Grafikdesign und Webdesign, und stellte fest, dass die kreative Gestaltung im Vordergrund steht, auch wenn die Umsetzung handwerkliche Fähigkeiten erfordert.

Bewertung der Erfolgsaussichten der Revision

Die Beklagte hat gegen das Urteil Berufung eingelegt, und die Revision wird voraussichtlich am 27. Juni 2024 vor dem Bundessozialgericht (BSG) in Kassel verhandelt. Wir werden für euch am Verhandlungstermin teilnehmen und berichten. Vorab möchten wir aber schon eine Einschätzung bieten. Die Erfolgsaussichten der Revision hängen von mehreren Faktoren ab:

  1. Präzedenzfälle: Das BSG hat in der Vergangenheit (zuletzt 2007!) ähnliche Fälle entschieden, wobei die Anerkennung von Tätowierern als Künstler eher als Ausnahmefall angesehen und von der künstlerischen Anerkennung aus anderen künstlerischen Fachkreisen abhängig gemacht wurde.
  2. Änderung der Verkehrsauffassung: Das LSG Hamburg argumentierte, dass sich die allgemeine Verkehrsauffassung geändert habe. Das BSG wird prüfen müssen, ob diese Einschätzung zutreffend ist und ob sie auf den vorliegenden Fall anwendbar ist.
  3. Künstlerische Tätigkeit vs. Handwerk: Ein zentraler Punkt der Revision wird die Abgrenzung zwischen künstlerischer Tätigkeit und handwerklicher Umsetzung sein. Das BSG wird klären müssen, ob die kreative Gestaltung der Tätowierungen der Klägerin den künstlerischen Schwerpunkt ihrer Tätigkeit darstellt.
  4. Widersprüche aufklären: Das BSG sollte idealerweise auch Wertungswidersprüche ausräumen. So werden auch in anderen, ohne Weiteres gerichtlich anerkannten Bereichen der bildenden Kunst handwerkliche Fähigkeiten zur Umsetzung von künstlerischen Ideen zu Werken eingesetzt, z. B. in Malerei und Bildhauerei.

Fazit

Das Urteil des LSG Hamburg stellt einen wichtigen Schritt zur Anerkennung von Tätowierern als bildende Künstler dar. Die bevorstehende Revision vor dem BSG wird zeigen, ob diese Einschätzung bestätigt wird. Unabhängig vom Ausgang der Revision ist das Urteil ein bedeutender Präzedenzfall für die Tätowierbranche und die Anerkennung ihrer künstlerischen Leistungen. Bislang liegen solche für Tattoo Artists erfolgreichen Urteile nur aus Hamburg und vom Landessozialgericht des Saarlandes vor. Durch die Beachtung dieser rechtlichen Entwicklungen können Tattoo Artists besser verstehen, wie ihre Tätigkeiten im Rahmen des KSVG bewertet werden und welche Schritte sie unternehmen können, um ihre künstlerische Anerkennung zu sichern.

RA Lars Rieck

1 thoughts on “Künstlersozialversicherung: Tattoo Artist aus Hamburg gewinnt auch vor dem Landessozialgericht gegen KSK”

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert